Doch was fängt man an in der Sächsischen Schweiz, wenn das Wetter zwischen Sonnenbrand und Unterkühlung alles eingeplant hat? Man bleibt möglichst flexibel und das klappt recht gut, denn das Elbsandsteingebirge ist ja flächenmäßig nicht unerträglich groß. Entdecker-Wandern und viel fotografieren stand auf dem Programm.
Unsere Lieblings-Wetter-App versprach eine kalte Nacht vom Sonntag zum Montag, Nebel am Morgen im Kurort Rathen und vormittags strahlenden Sonnenschein. Was leitet der ambitionierte Möchtegern-Fotograf daraus ab? Richtig: Sonnenaufgang an der Bastei mit Nebel im Tal und goldgelber Morgensonne auf den Basteifelsen, dazu strahlend leuchtendes Herbstlaub. Wir freuten uns wie Bolle darauf, obwohl uns natürlich auch klar war, dass man sich bei der Vorhersage wohl an den markanten Fotopunkten wie dem Ferdinandstein auch an einem Montagmorgen auf eine „Dreibein-Invasion“ vorbereiten muss.
Wie schön entspannt ist es für den Fernwehbus an einem Samstag ohne Lkw auf A14, A4 und A17 direkt bis zur Abfahrt Pirna einfach und spritsparend mit 2.000 Umdrehungen im 6. Gang dahinzuschnurren. Herrlich!
Als Ausgangspunkt für die erste Entdeckungstour haben wir uns den Parkplatz oberhalb der Bastei, direkt am Bastei-Hotel ausgesucht, finden diesen dann aber scheußlich und teuer. Also gewendet und zum P2 Rathewalde in drei Kilometern Entfernung zurück. Menschenmassen zu Fuß, volle Pendelbusse und unzählige Pkw strömen uns während der dreiviertelstündige Wanderung in der angenehmen Abendsonne bis zur Aussichtsplattform der Bastei entgegen. Doch es verbleiben noch ausreichend Leute dort, um kurzzeitig die Stimmung einknicken zu lassen.
In erster Reihe agiert rücksichtslos eine Horde schwersüßlich parfümierter Instagram-Poser. Wir können ein paar Sonnenuntergangsbilder erhaschen, nachdem die Narzisse weitergezogen sind und sich der Geruch eines Chemieunfalls verzogen hat.
1. Bastei – Wehlen – Rathen – Schwedenlöcher – Bastei
Nachdem wir am Abend bereits die ersten Bilder gesichtet haben, sind wir uns einig, dass wir „die Sache im Kasten“ haben und zufrieden sein könnten, selbst wenn es ab sofort nur noch Hunde und Katzen regnet.
Tut es aber nicht, wir schlafen (wie am Vorabend zufrieden und einstimmig beschlossen) lange aus und machen uns auf den Weg, als die Sonne angenehm auf die Wandersleute scheint.
Von Höllenklamm, Wolfsschlucht und Teufelsbrücke hatten wir gelesen und da wollten wir hin. Aber: es ist Sonntag und was passiert sonntags im Elbsandsteingebirge? Die Wander-Invasion kommt, insbesondere die Hauptwege zur Bastei erinnern mehr an die S-Bahn in Tokyo als einem Wanderweg. Also laufen wir grundsätzlich azyklisch oder rechtwinklig zu diesen Hauptwegen.
Rasch ist auf der Karte eine Strecke grob skizziert. Das machen wir immer so. Vorher planen bringt eh nichts, wir halten uns sowieso nicht dran (Dana würde auch sagen „Wir verlaufen uns sowieso“, aber das gebe ich lieber nicht zu!)
Von der Basteistraße biegen wir in den Wald Richtung Uttewalde ab und folgen dem Sandweg bis zum Abzweig in den Zscherregrund. Der Herbst hat uns bereits vollkommen gefangen! Phantastisch!
Der Höllengrund ist wirklich höllisch – höllisch schön und höllisch fotogen. Die Bilderflut zerrt an den Kamera-Akkus. Mittlerweile haben sich auch genug andere begeisterte Wanderer eingefunden, aber alle strömen sie Richtung Bastei. Wir beschließen, dem Trubel entgegen den Steinrückenweg und den ruhigen Schanzenweg nach Wehlen zu nehmen.
Die Stadt Wehlen ist ein hübsches Örtchen, dem es an jedweder aufgesetzten Attitüde eines Touristenortes fehlt. Wir schlendern herum, beobachten die Fähre und genießen Crepes mit Schokolade am rechten Elbufer.
Auf dem asphaltierten Elberadweg tippeln wir sonnenbeschienen flussauf nach Rathen. Schon vom Weiten sieht man die Menschenschlangen an der Fähre am linken Elbufer und die vielen glitzernden Autodächer auf dem nahegelegenen Großparkplatz. „Oh oh…“ sage ich zu Dana „…Sonntags ist hier Rock’n Roll!“ Und es stimmt.
Wir drängeln uns durch den Amselgrund und die unzähligen Treppenstufen der Schwedenlöcher wieder nach oben. Erstaunlich, wie viele Menschen hier gute Laune haben, obwohl man sich nur auf die nächsten Schritte seines Vordermannes konzentrieren muss, damit einem der Nachfolgende nicht in die Hacken tritt. Es macht also trotzdem halbwegs Spaß. Wir beschließen, die Schwedenlöcher auf jeden Fall noch einmal bei Sonnenaufgang zu durchwandern, möglichst im Sommer um halb fünf Uhr früh.
Am Auto angekommen bleibt noch genug vom Nachmittag für eine große Tasse Kaffee. Bellas Pfötchen sind müde vom Asphaltwandern im Tal und so bleiben die „Mädels“ im Auto, während ich noch einmal „rasch“ die drei Kilometer zur Bastei gehe, denn ich habe noch einen schönen Sonnenuntergang im Gefühl. Ich werde belohnt, die Basteiaussicht ist menschenleer, nur ein Liebespaar kuschelt auf der nahegelegenen Bank. Ein paar nicht ganz so spektakuläre Bilder kann ich erhaschen (nicht vom Liebespaar, sondern vom Sonnenuntergang Richtung Pirna und Dresden!)
2. Sonnenaufgang an der Bastei
Der Vorteil des Winters ist eindeutig, dass man zum Fotografieren des Sonnenaufganges nicht kurz nach Mitternacht wieder aus dem Bett muss. Trotzdem fällt es uns nicht leicht, um kurz nach sechs Uhr aus den mollig warmen Schlafsäcken zu krabbeln und ohne Morgenkaffee (!!!) zum Ferdinandfelsen zu starten. Das Außenthermometer schwankt unsicher zwischen 0,0 und +0,5°C, wir einigen uns auf minus zehn…
„Der Mensch auf dem Gipfel ist zugleich der Mensch am Abgrund, der vor ihm liegt. Der Abgrund aber ist in Nebel gehüllt. Er birgt das Künftige, das dem Auge des Sterblichen entzogen ist. “ (Hans Joachim Neidhardt)
Ein halbes Dutzend Stative mit verfrorenen Fotografen daneben erwarten uns bereits. Wir quatschen freundlich, rücken etwas zusammen und richten den tausendfach bekannten Bildausschnitt der Basteibrücke zurecht. Dana ist das Gedränge zu groß und das Gefachsimpel zu blöd, also begibt sie sich mit der Handkamera auf die Pirsch nach alternativen Motiven. Das stellt sich später als gute Idee heraus.
Die Bedingungen sind nicht total optimal, aber passabel. Nachdem die Sonne zwei Finger breit über dem Horizont ist, haben wir alles im Kasten, was wir brauchen. Zusätzlich blaue Finger und rote Ohren. Da tut der Kaffee richtig gut.
3. Beuthenfall – Wolfsstiege – Idagrotte – Affensteinpromenade und Carolafelsen
Die Autofahrt über Hohnstein und Bad Schandau in das Kirnitzschtal taut uns wieder auf. Am späten Vormittag haben wir für den Dicken einen Parkplatz zwischen dem Beuthenfall und dem Lichtenhainer Wasserfall gefunden und starten mit größeren Gruppen anderer Wanderer Richtung Süden und Beschilderung Schrammsteine.
Wieso ein paar Kletterer die Klettergurte bereits am Auto angezogen haben, erschließt sich uns nicht, lässt uns aber angesichts der Schwierigkeiten, die sie offensichtlich beim Gehen damit haben, stoibersche Anekdoten dazu dichten: „Damit steigen Sie direkt .. äh äh… vom Hauptbahnhof in die Wand…“ oder „Fallen Sie vom Schramm… äh… Hauptbahnhof … äh, also… direkt ins Seil…“ usw.
Bevor wir uns kaputtlachen, biegen wir lieber ab und folgen der Zeughausstraße, den tausend Treppen des Wolfsstiegs und der Affensteinpromenade bis zur Idagrotte.
Weiter geht es nach einer kurzen Pause auf dem Reitsteig über den Zurückesteig wieder auf die Affensteinpromenade, diesmal aber die „Obere“. Dieser folgen wir den Berg herum ohne großes Auf und Ab bis zur Aussicht am Freien Turm.
Danas Knie zittern, bei ausgesetzten Stellen hat ihr Kopf Schwierigkeiten mit der Höhe – nicht einmal, wenn sie selbst oben steht, es reicht schon zu sehen, wie fremder Leute Kinder dort am Abgrund herumturnen. Sie mag nicht mehr, sie will zurück.
Wir nehmen den Reitsteig über den Carolafelsen, lassen aber den mühsamen Anstieg zur Carolaaussicht aus, denn wir waren ja schon mehrfach dort oben.
Der Weg zurück ist kurz und schnell erledigt, ein paar dunkelgraue Wolken mahnen uns, wir sollten das Gebirge doch ruhig jetzt verlassen. Und tatsächlich gibt es ein paar kleine Regentropfen, als wir fahrend Richtung Bad Schandau das Kirnitzschtal wieder verlassen.
Weil es so schrecklich bequem und einsam ist, fahren wir zurück zum P2 und stellen erschöpft und zufrieden den Fernwehbus auf exakt derselben Stelle ab, an der er morgens noch stand. Heiliger, das war ein langer Tag! Hüttenruhe um halb acht!
4. Lilienstein-Überschreitung Süd-Nord
„Oh Backe, ab Mittag fünf Millimeter Regen!“ Im Laufe der Jahre und den Erfahrungen in Skandinavien sagen uns die Niederschlagsmengen mittlerweile recht deutlich, wo es noch Spaß macht zu wandern und wo es einfach nur noch Mist ist. Es sollte keine kurze Husche geben, sondern stundenlang durchgehenden Regen der Kategorie „Mist“.
Dazu Wind mit Böen bis 85 Stundenkilometern, also Windstärke 8-9 Bft. Das bedeutet: Regen waagerecht und von allen Seiten. Also „Total Mist!“
„In der Nähe sind der Brand und der Lilienstein“ grenze ich mal die Möglichkeiten ein, die sich ergeben, wenn man innerhalb ein bis zwei Stunden wieder im trockenen Auto sitzen will.
Man wird des Lebens überdrüssigBei aller Ebb und Fluth der Stadt,Doch hier, geschäftig oder müßigWird keiner seines Daseins satt.(Moritz August von Thümmel)
Der Brand ist ein berühnmter Aussichtspunkt mit einer handfesten Gastwirtschaft, die man vom Parkplatz Hohnstein fast ebenerdig auf einem barrierefreien, breiten Kiesweg erreichen kann. Von der Terrasse der „Brandwirtschaft“ hat man ein wunderbares Panorama von den Schrammsteinen ganz links über Pabststein, Gohrisch, Pfaffenstein und den Lilienstein bis zur Bastei ganz rechts im Bild. Wenn man Wetter hat.
Der Lilienstein ist neben der Bastei das Wahrzeichen des Nationalparks Sächsische Schweiz. Auf dem Plateau des einzigen rechtselbischen Tafelberges zeugen einige Mauerreste der ehemaligen Burg davon, dass man bereits im späten Mittelalter eine großartige Aussicht zu schätzen wusste. Vom Lilienstein bietet sich besonders nach Süden auf die heranströhmende Elbe bis nach Südwesten auf die Festung Königsstein ein wunderbarer Ausblick.
Je nach Belieben kann man direkt am Fuße des Lilienstein parken oder von einem der mehr oder weniger weit entfernten, zahlreichen Wanderparkplätze heran- und hinaufwandern. Wir nehmen die Nummer sicher und parken als erstes Auto auf dem kostenpflichtigen Wanderparkplatz des Liliensteins. So können wir ringsherum wandern solange wir wollen, aber sind auch in einer Dreiviertelstunde wieder am Auto, wenn das Wetter übel kippt.
Wir besteigen den Lilienstein vom Südanstieg her. Der kräftige und kalte Wind lässt unsere Gesichter auf dem Plateau oft zu einer Grimasse erstarren. Im waldigen Norden der kleinen Hochebene ist es angenehmer.
Durch wunderbar gefärbtes Herbstlaub geht es am Nordabstieg über steile Metallgittertreppen wieder hinab und über eine weite Schleife zum Parkplatz zurück. Unterwegs wollen dringend ein paar Kinderfüße noch mit Tape gegen die sich entwickelnden Blasen geschützt werden.
Kaum ist der Rucksack im Kofferraum, die Schuhe abgeklopft und das zerzauste Haupthaar einigermaßen gerichtet, fallen die ersten Regentropfen auf die Scheibe. Es ist zehn nach zwölf, der Wetterbericht ist leider zuverlässig.
Heute ist nicht alle Tage – …
„Ok, hat keinen Sinn bei dem Wetter – ab nachhause. Schön war’s trotzdem!“
Eingeplant hatten wir die ganze Woche von Samstag bis Freitag, aber was nützt es, wenn der Wetterbericht bis Donnerstag Abend Dauerregen voraussagt? Da können wir die Zeit auf dem Sofa nutzen, die berauschenden Bilder sortieren und diesen Text hier für dich tippen.
Eins ist sicher: Das war nicht unser letzter Besuch in der Sächsischen Schweiz und nicht die letzten Bilder, die wir von dort mitgebracht haben.
Deine Tipps für uns
Hier haben wir jetzt nicht alles aufgeschrieben, was wir schon im Elbsandsteingebirge gesehen haben. Trotzdem sind wir gespannt auf deine Kommentare, was wir unbedingt noch anschauen (und fotografieren) sollten. Schreib uns, wir freuen uns sehr!